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23. Flexible Arbeitszeitregelung für Betreuung der älteren Mutter

Vorgestellt vom „Office of Equal Opportunities Ombudsperson” Litauen

Interviewte Person: Armantas J., männlich

Darstellungsform des Interviews: Zusammenfassung des Interviews durch den Autor / die Autorin sowie Originalzitate

In welchen Bereichen hat der Beschäftigte Unterstützung erhalten?

    • Flexible Arbeitsregelungen

Armantas ist Geschäftsmann mit Karrierechancen. Er ist kaufmännischer Leiter der STREFA Limited Liability Company, die im März 1995 in Vilnius gegründet wurde. Zurzeit hat das Unternehmen 52 Beschäftigte, davon nur 17 Frauen. Eine von ihnen leitet die Verwaltung. STREFA liefert Geräte und Materialien für Industrie-, Transport-, Bau- und Energietechnikunternehmen wie z. B. die litauische Eisenbahngesellschaft Lietuvos gelezinkeliai, eine Aktiengesellschaft. Hauptaufgabe des Unternehmens ist der Großhandel mit Komponenten für den Eisenbahnoberbau, Ersatzteilen, Schutz- und Befestigungseinrichtungen etc.

Vor einigen Jahren konnte Armantas‘ Mutter wegen ihres hohen Alters von 87 Jahren und einer geriatrischen Erkrankung nicht mehr alleine leben, so dass für betreutes Wohnen gesorgt werden musste. Armantas und seine Familie holten seine Mutter zu sich nach Hause. Zuerst wollte seine Mutter dorthin zurückkehren, wo sie jahrelang gelebt hatte. Sie verweigerte die Nahrungsaufnahme und kapselte sich ab. Nach einigen schlimmen Erlebnissen beschloss Armantas, die Hilfe staatlicher Sozialdienste in Anspruch zu nehmen. Pflegeleistungen für ältere Menschen werden in Litauen in der Regel von den Kommunen und ihren Zentren für Sozialdienste angeboten, deren Dienstleistungen vom Staat finanziert werden. Eine dieser Leistungen, die häusliche Betreuung (sogenannte soziale Betreuung), wird an höchstens zehn Stunden pro Woche erbracht. Das ist für Menschen mit schweren Krankheiten natürlich nicht ausreichend, so dass ältere Menschen in Litauen meistens von den Kindern gepflegt werden. Wie Armantas ausführt, ist die zusätzliche Betreuung der betreuungsbedürftigen Angehörigen durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern für die betroffenen Familien jedoch eine große Hilfe und unerlässlich.

Die Frauen vom Zentrum für Sozialdienste in Vilnius leisteten gute Arbeit, und seiner Mutter ging es zunächst eine Weile recht gut. Ein Beschäftigter der Sozialdienste kam regelmäßig und verbrachte Zeit mit ihr. Doch schon bald bestand sie darauf, dass ihr Sohn in ihrer Nähe sein und sich um sie kümmern sollte. Armantas versuchte, sie zu verstehen, und erklärt: „Niemand kann Ihre Lieben so betreuen wie Sie selbst. Wegen meiner anstrengenden, zeitintensiven Arbeit konnte ich mich aber eigentlich nicht um meine Mutter kümmern. Die Vorstellung, dass ein geliebter Mensch respektlos behandelt wird, beunruhigte mich jedoch sehr und löste Schuldgefühle in mir aus. Daher nahm ich mir vor, mich so gut wie möglich selbst um meine Mutter zu kümmern.“ Daher versuchte er, mit seinem Arbeitgeber eine Lösung zur Vereinbarung seiner Pflegeaufgaben mit seiner Berufsarbeit zu finden.

Armantas wusste, dass seine Kolleginnen und Kollegen und besonders seine Vorgesetzten ihn nicht verstehen würden und unzufrieden wären, auch wegen der zusätzlichen Arbeit, die aufgrund einer spezifische Lösung für seine private Situation auf sie zukommen könnte. Daher musste er sein Leben so organisieren, dass den anderen keine großen Nachteile entstanden. Er war sehr froh darüber, dass sein Arbeitgeber letztendlich positiv auf seinen Entschluss reagierte. Nach einigen Verhandlungen erhielt Armantas die Erlaubnis, auf Basis einer festen Vereinbarung eine bestimmte Stundenzahl in Telearbeit von zu Hause aus zu arbeiten. In Litauen sind flexible Arbeitszeitvereinbarungen durch nationale Gesetze (Arbeitsgesetzbuch) geregelt. Da Armantas in seiner Arbeitszeit mindestens vier Stunden täglich bei seiner Mutter verbringen muss, willigte sein Arbeitgeber ein, dass sich Armantas an drei Tagen pro Woche um seine Mutter kümmern kann, jedoch online mit dem Büro verbunden sein muss. Während der Zeit, die Armantas zu Hause verbringt, bemüht er sich, seiner Mutter zu helfen, so selbstständig wie möglich zu sein und gesellschaftlich und körperlich möglichst aktiv zu sein.

Armantas ist dankbar, dass sein Arbeitgeber ihm eine flexible Arbeitszeitregelung gewährt. Er betont „Das war eine harte Zeit. Ich habe jedoch sehr viel gelernt und erkannt, wie wichtig die Unterstützung des eigenen Teams und des Arbeitgebers ist“, betont Armantas.

Armantas ist aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen überzeugt, dass Regierungen Unternehmen und Arbeitgeber ermuntern oder sogar verpflichten sollten, entsprechende Unterstützung anzubieten. Die gesetzlichen Vorschriften zu Sozialdienstleistungen oder Vereinbarungen für Arbeitgeber sollten zum Beispiel Anforderungen an das effektive Management, die Überwachung und Bereitstellung von Hilfen für Mitarbeiter/innen festlegen, die bestimmte Arbeitszeitvereinbarungen oder besondere Dienstleistungen benötigen.