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28. Entscheidung der Familie – Mutter und Vater nehmen Wechselweise Teilzeiturlaub7

Vorgestellt von „European Partnership“, Litauen

Interviewte Person: Giedrius L., männlich

Darstellungsform des Interviews: Zusammenfassung durch den Autor / die Autorin sowie Originalzitate

In welchen Bereichen hat der Beschäftigte Unterstützung erhalten?

    • Unterstützung des Unternehmens in der Elternzeit / in der Kinderbetreuung

    • Anderer Bereich: vom Arbeitgeber organisierte Treffen und Feiern

Giedrius ist 37 jähriger Manager des M. Gumbreviciaus Handels- und Dienstleistungsunternehmens. „Gelsva“ und kehrte vor sechs Monaten aus dem Vaterschaftsurlaub an den Arbeitsplatz zurück. Er war gerne bereit, von seinen Erfahrungen zu berichten.

Zusammen mit seiner Frau Ramune zieht Giedrius zwei Töchter groß – die neunjährige Austeja und die sechsmonatige Meida. Als ihr erstes Kind geboren wurde, ging Ramune in den Elternurlaub. Bei der Geburt der zweiten Tochter war das Gesetz zur Sozialversicherung von Krankheit und Mutterschaft gerade geändert worden.

Gemäß diesen Änderungen (Arbeitsgesetzbuch der Republik Litauen, Artikel 180 „Erziehungsurlaub bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes“) konnte Giedrius Vaterschaftsurlaub nehmen und Vaterschaftsgeld beziehen, das vom staatlichen Sozialversicherungsfonds der Republik Litauen gezahlt wird.8

Der Vaterschaftsurlaub ist für die Familie von großer Bedeutung. Im ersten Lebensmonat des Kindes muss sich die Mutter erholen, und der Vater kann sich um das Kind und den Haushalt kümmern. Vor der gesetzlichen Einführung des Vaterschaftsurlaubs nahmen die Eltern und in einigen Fällen die Großeltern des Kindes (meist die Großmutter) ihren Jahresurlaub oder unbezahlten Urlaub. Heute gibt es viel mehr staatliche Unterstützung.“

Wahrscheinlich ermunterte der einmonatige Vaterschaftsurlaub Giedrius, seine Frau abzulösen, die in den ersten Monaten Mutterschaftsurlaub genommen hatte, und selbst Elternurlaub zu nehmen. Als die Tochter Meida neun Monate alt war, nahm Ramune eine Teilzeitbeschäftigung auf, und Giedrius ging in den Elternurlaub. Vor der Geburt des Babys arbeitete Ramune als Sekretärin bei der Steueraufsicht von Birstonas. Während sie im Mutterschaftsurlaub war, wurde das Amt jedoch in die Steueraufsicht von Prienai eingegliedert, und Ramunes Arbeitsplatz entfiel. Obwohl ihr eine Arbeit ähnlich ihrer vorherigen angeboten wurde, lehnte sie das Angebot ab und nahm eine einfachere Beschäftigung an, bei der Teilzeitarbeit möglich war. Auf diese Weise konnten sich die Eltern abwechselnd um ihre beiden Töchter kümmern und das Geld für den Babysitter sparen. Da Ramune nur halbtags arbeitete, fand Giedrius genug Zeit, ihr neues Haus zu bauen und einzurichten.

Einige von Giedrius‘ Kollegen waren skeptisch und spöttelten über seinen Entschluss, Elternurlaub zu nehmen. Es war für sie einfach zu ungewöhnlich, dass ein Vater bei den Kindern bleibt, während die Mutter arbeiten geht.

Es gab jedoch auch Beschäftigte, insbesondere Frauen, die den Elternurlaub eines Vater sehr gut fanden und Giedrius viel Respekt entgegenbrachten.

Giedrius selbst ist heute sehr glücklich über seine Entscheidung. Die Beziehungen in der Familie sind sehr eng, beide Elternteile haben sich daran gewöhnt, alle anfallenden Aufgaben zu teilen, und sie konnten das Haus bauen, in dem sie heute leben.

Giedrius erzählt, dass ihn der Elternurlaub ruhiger und selbstbewusster gemacht habe. „Als ich noch arbeitete, musste ich mich zwischen Beruf, Hausbau und der größer gewordenen Familie ‚zerreißen‘. Das hat mir großen Stress bereitet und ich hatte schon jede Hoffnung verloren, das Haus jemals fertig zu bauen. Außerdem hatte ich Schuldgefühle, weil ich mich nicht genug um meine Frau und meine Töchter kümmerte. Der Elternurlaub gab mir die Möglichkeit, alles, was ich tun musste, in Ruhe zu planen und konsequent umzusetzen.“

Das M. Gumbreviciaus Handels- und Dienstleistungsunternehmen „Gelsva“, bei dem Giedrius arbeitet, hat Niederlassungen in ganz Litauen – in Vilnius, Kaunas, Klaipeda, Siauliai und Panevezys. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt 457 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Selbst in Krisenzeiten versucht Gelsva, loyale und motivierte Beschäftigte zu halten und familiengerechte Arbeitsplätze anzubieten.

Traditionell werden verschiedene Veranstaltungen für Beschäftigte und ihre Familien organisiert. Im Sommer werden alle Beschäftigten eingeladen, einen Aktivurlaub von ein bis zwei Tagen am Meer oder auf einem Bauernhof in verschiedenen Orten Litauens zu verbringen. Dort werden auch Sportwettkämpfe organisiert. Außerdem findet jedes Jahr eine Neujahrsfeier für die Beschäftigten und deren Familien statt. Eine besondere Freude für die Kinder der Beschäftigten ist die alljährliche Weihnachtsaufführung in einem Theater in Kaunas, auf der der Weihnachtsmann Geschenke verteilt.

Giedrius sagt, dass die große Familienfreundlichkeit des Arbeitgebers auch dem Unternehmen zugute kommt: „Man spürt die Harmonie unter den Beschäftigten, ihre Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, und ihr Interesse, das Unternehmen voranzubringen. Jeder Beschäftigte leistet viel mehr als vom Arbeitgeber verlangt, wenn er das Gefühl hat, dass das Unternehmen nicht nur an seiner Arbeitsleistung, sondern auch an ihm als Mensch interessiert ist.“