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6. Kinder sind am Arbeitsplatz der Eltern willkommen

Vorgestellt von „Sozialforschungsstelle Dortmund, ZWE der TU Dortmund“, Deutschland

Interviewte Person: Silvia S., weiblich

Darstellungsform des Interviews: Zusammenfassung des Interviews durch den Autor / die Autorin sowie Originalzitate

In welchen Bereichen hat die Beschäftigte Unterstützung erhalten?

  • Flexible Arbeitsorganisation

  • Anderer Bereich: Möglichkeit, Kinder im Notfall mit zur Arbeit nehmen zu können, Schulung für Arbeitgeber zur Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen

Silvia S. ist 33 Jahre alt, verheiratet und hat eine dreijährige Tochter, Viviane. Sie ist seit etwa 10 Jahren beim Hotel Esplanade im Bereich Housekeeping beschäftigt. Dort ist sie u.a. für die Reinigung der Hotelzimmer und Sanitäranlagen, dem Auffüllen der Minibar und weiteren pflegenden Tätigkeiten im Innen- und Außenbereich des Hotels zuständig. Bevor ihre Tochter geboren wurde, hat Silvia 30 Stunden in der Woche gearbeitet. Anders als in vielen anderen Arbeitsbereichen hat sie keine festgelegten Arbeitszeiten, da das Arbeitspensum von der Auslastung des Hotelbetriebes abhängig ist. So ist an bestimmten Tagen in der Woche mehr zu tun als an anderen Tagen.

Für Silvia stand schon zu Beginn der Schwangerschaft fest, dass sie sich zwar ein paar Jahre ganz der Betreuung ihrer Tochter widmen möchte, danach aber auf jeden Fall, allerdings mit einem reduzierten Arbeitszeitkontingent, wieder an ihrer alten Arbeitsstätte tätig werden möchte. Ihr Arbeitgeber sagte ihr zu, dass sie nach der Elternzeit wieder zurückkehren könnte. Während der Arbeitsunterbrechung erhielt sie von ihrer Vorgesetzten freundliche Anfragen, ob sie nicht schon eher als geplant wieder ins Berufsleben zurückkehren möchte. Obwohl Silvia ursprünglich geplant hatte, erst nach drei Jahre wieder mit der Arbeit zu beginnen, verspürte sie schon nach zwei Jahren - auch aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitgeber sie gerne wieder beschäftigen wollte - deutlich den Wunsch, schon früher wieder im Hotel tätig zu werden.

Es stellte sich allerdings als sehr schwierig heraus, eine Betreuung für ihre Tochter zu organisieren. Alle in der Umgebung vorhandenen Kindertageseinrichtungen waren voll belegt, so dass diese Form der Unterbringung wegfiel. Deshalb war es ihr zu Beginn des Wiedereinstiegs wichtig, nur an den Wochenenden zu arbeiten, da sich dann zu dieser Zeit ihr Mann um die Tochter kümmern konnte. Ihr Arbeitgeber freute sich sehr über ihre Entscheidung, bereits nach zwei Jahren wieder im Housekeepingbereich zu arbeiten und erklärte sich auch mit der Wochenendlösung einverstanden. Silvia wurde auf 400-Euro-Basis eingestellt.2 Ihr Arbeitsvertrag beläuft sich auf insgesamt 49 Stunden im Monat, die je nach Arbeitsaufkommen innerhalb des jeweiligen Monats abgeleistet werden. Um flexibler auf die Bedürfnisse des Arbeitgebers eingehen zu können, hat sie inzwischen auch ihre Eltern mit der Betreuung von Viviane betraut, was ihr die Möglichkeit verschafft, bei Bedarf auch innerhalb der Woche im Hotel zu arbeiten „Ich kann halt nicht sagen, ich komme jeden Sonntag oder jeden Dienstag, das geht nicht. Je nach dem, wie hoch die Auslastung im Hotel ist, muss die Arbeit verrichtet werden.“

Immer wieder kommt es aber vor, dass Silvias Eltern nicht einspringen können, so dass sie keine Betreuungsmöglichkeit für ihre Tochter hat, wenn sie arbeiten müsste. Für diese Ausnahmesituationen bot ihr der Arbeitgeber an, Viviane zur Arbeit mitzubringen.

Die Vorgesetzte von Silvia hat im letzten Jahr an einer Weiterbildung im Rahmen des städtischen Programms „Familienbewusste Unternehmen in Dortmund“ (FamUnDo) teilgenommen. Ziel des Programms ist es, Unternehmen in Dortmund Impulse zu geben, wie sie die Arbeitsplätze der Beschäftigten familienfreundlicher gestalten können. Diese Schulung bestand aus fünf thematischen Workshops und zwei bis drei individuellen Beratertagen im Betrieb. Neben vielen anderen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsplätze nahm die Vorgesetzte von Silvia den Rat an, die informell geschaffenen Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie z.B. sein Kind in Ausnahmefällen mit zur Arbeit nehmen zu können, auf eine formale Ebene zu stellen. So berichtete Silvia, dass ihre Chefin in gemeinsamen Mitarbeitergesprächen die Option, Kinder in Ausnahmefällen mitzubringen, allen Beschäftigten im Housekeepingbereich offiziell angeboten hat. Diese Vereinbarung wird als vorteilhaft für beide Seiten – Arbeitgeber wie Beschäftigte – angesehen.

Silvia berichtete von einer großen Bereitschaft der Kolleginnen, sich bei Problemen mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegenseitig zu unterstützen und Verständnis zu zeigen. „Wenn jemand etwas vorhat oder einen Termin wahrnehmen muss, dann sagt schon mal eine Kollegin: ’Komm, dann spring ich jetzt für dich ein’. Also auch untereinander funktioniert das sehr gut. Auch wenn man das Kind mit zur Arbeit bringt, haben die Kolleginnen da Verständnis für. Man ist ja auch nicht alleine mit dem Kind, man hat ja auch ein paar Wege, die man im Hotel erledigen muss, oder was holen muss, oder auch mit Gästen in Kontakt tritt und wo das Kind auch trotz alledem dabei ist. Das ist eine schöne Sache, man kommt viel schneller mit den Gästen in Kontakt, da wird dann auch gerne meine Tochter gefragt ‚ach wer bist du denn’ oder so, das ist auch sehr schön.“

Wichtig ist Silvia, dass dieses Modell nicht zur Regel wird, also die „normale“ Betreuung ersetzt. Es ist ein Angebot für Notfallsituation, wenn z.B. der Kindergarten geschlossen ist oder, wie in ihrem Fall, die Großeltern ausnahmsweise nicht für die Betreuung zur Verfügung stehen und es keine andere Lösung gibt. „Wenn ich mein Kind Tag für Tag immer mit ins Hotel nehmen würde, ist sie irgendwo auch ein Mitläufer und das möchte ich nicht. Sie soll spielen und unter Kinder sein.“

Ihre Tochter fühlt sich im Hotel sehr wohl, was in Silvias Augen auch dafür ausschlaggebend ist, dass sie arbeiten gehen kann. Viviane sei sehr interessiert an der Arbeit der Mutter und möchte gerne helfen, z.B. die Minibar mit neuen Getränken zu befüllen. Sie würde sich sehr angenommen fühlen: „Jeder redet auch mit Viviane, sie machen auch Spaß mit ihr. Ich muss sagen, Kinder sind hier wirklich willkommen.“

Für Silvia ist die Möglichkeit, das Kind mit zur Arbeit zu nehmen sehr wichtig: „Sonst könnte ich auch gar nicht so oft in der Woche arbeiten und könnte auch nicht so kurzfristig einspringen, wie es manchmal notwendig ist.“